Fitte Lunge – keine Frage der Kapazität

Die LungeOb jemand einen langen Atem hat, hängt nicht in erster Linie von der Kapazität seiner Lunge ab, sondern von der Pumpleistung seines Herzens. Warum und was die Lungenfunktion mit dem Darm zu tun hat, erklärt Dr. Stefan Graf.

 

Wenn sich Ausdauersportler nach dem Medizincheck über ihre Lunge und die Lungenkapazitäten unterhalten, erinnert das an Formel-1-Fans, die über die PS-Zahlen der glitzernden Boliden ins Schwärmen geraten. Doch im Gegensatz zu den automobilen Pferdestärken lassen sich die individuellen Lungenvolumina nur sehr begrenzt „tunen“, also durch Ausdauertraining erhöhen. Die totale Lungenkapazität setzt sich aus dem bei der Ausatmung in den Lungenbläschen verbleibenden Residualvolumen (Restgasvolumen, etwa anderthalb Liter) und dem bei der maximalen Einatmung dazukommenden Gasvolumen, der sogenannten Vitalkapazität, zusammen.

Eine Herzensangelegenheit
Entscheidend ist vielmehr die Durchblutungsqualität. Je besser die Lungengefäße mit Blut versorgt werden, das heißt je mehr Blut pro Zeiteinheit an den Lungenbläschen vorbeifließt, umso effektiver erfolgt die Beladung der roten Blutkörperchen mit Sauerstoff und umso besser werden Muskeln und Organe über den „großen“ koronaren Blutkreislauf mit Sauerstoff versorgt. Da der „kleine“ Lungenkreislauf ebenfalls vom Herzen angetrieben wird, ist dessen Pumpleistung letztlich der entscheidende Faktor für eine starke Lunge, leistungsfähige Muskeln (auch die Atemmuskeln gehören dazu) und einen effektiven Energiestoffwechsel. Regelmäßiges Ausdauertraining verbessert die Lungenleistung somit vor allem über die Erhöhung der Pumpleistung des Herzens.

Den Rhythmus finden
In Bezug auf die sogenannte äußere Atmung, also die Inspiration und Exspiration von Atemluft ist die Aneignung eines persönlichen Atemrhythmus empfehlenswert, der selbst unter hoher Belastung die kontinuierliche Ventilation beider Lungenflügel sicherstellt. Für den Läufer hat es sich bewährt, die Schrittfolge an die gewählte Atemrhythmik zu koppeln. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, die es individuell auszuprobieren gilt. Anfängern ist ein die Ausatmung betonender Drei-zu-eins-Rhythmus – über drei Schritte aus- und über einen einatmen – zu empfehlen. Je nach Trainingserfahrung und Belastungshöhe sind aber auch andere Kombinationen, beispielsweise ein gleichgewichteter Drei-zu-drei-Rhythmus möglich.

Nahrung für die Lunge
Allein schon aufgrund der räumlichen Trennung denkt beim Thema Lungenfitness wohl kaum jemand an den Darm. Es hat sich aber gezeigt, dass eine intakte Darmflora und eine unversehrte Darmschleimhaut ganz wesentlich den Erhalt der optimalen Lungenfunktion bestimmen. Eine gestörte Nährstoffresorption steigert die Reizanfälligkeit der Atemwege und kann gravierende pulmonale Funktionseinbußen bei der Sauerstoffbeladung der roten Blutkörperchen in den Lungenbläschen zur Folge haben. Das Wachstum gesunder Darmbakterien wird besonders durch Ballaststoffe (Gemüse, Obst, Salate) gefördert. In gelöster Form wirken sie zudem entzündungshemmend. Für den Aufbau einer stabilen Darmschleimhaut sind Eiweiße – und hier wegen ihrer hohen biologischen Wertigkeit (=Verwertungseffizienz) besonders Molkenproteine und Fisch – empfehlenswert.

Aktuelle Studienlage
Wie bedeutsam die richtige Nahrungsmittelauswahl für den Erhalt und die Verbesserung der Lungenfunktion ist, zeigen Studien an Patienten, die an der Lungenkrankheit COPD (chronic obstructive pulmonary disease), einer dauerhaften entzündlichen Verengung der Atemwege, leiden. Allein die Ernährungsumstellung auf eine Kost, die reich an Gemüse, Obst und hochwertigem Eiweiß ist, führt zu einer messbaren Verbesserung der Lungenfunktion und Reduzierung der Entzündungsparameter. Durch moderaten Ausdauersport wird dieser Effekt zusätzlich verstärkt.

Text: Dr. Stefan Graf
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