Funktionell Trainieren

Was bedeutet funktionelles Training überhaupt? Vor allem für Triathleten und wie individuell müssen die Übungen sein, damit sie auch effektiv sind. Denis Sandig klärt auf.

 

Zum Triathlontraining gehört weitaus mehr als Schwimmen, Radfahren und Laufen. Das Athletiktraining ist ein fester Bestandteil vieler Trainingsprogramme und umfasst neben dem Beweglichkeits- auch das Koordinationstraining, wie beispielsweise das Lauf-ABC. Aber auch leistungsfördernde Übungen mit dem Ziel, Verletzungen zu vermeiden oder die Stabilität zu verbessern, sollten Bestandteil eines ausgewogenen Triathlontrainings sein. In den letzten Monaten sind viele Trainingsgeräte mit dem Versprechen auf den Markt gekommen, besonders „funktionell“ zu sein. Aber was bedeutet das genau? Und wie wird das Athletiktraining eines Triathleten funktionell?

Überlastungen, Reizungen und Entzündungen können die Folge von hohen Intensitäten und gesteigerten Trainingsumfängen sein. Auch trainierte Spitzensportler sind nicht unverwüstlich. Der menschliche Körper ist eben bisweilen doch empfindlicher, als es viele Athleten wahrhaben wollen. Ausweichbewegungen, veränderte Bewegungsmuster, mangelnde Beweglichkeit, aber auch zu kurze Entlastungs- und Regenerationsphasen können die Folge einer (noch kleinen) Verletzung sein. Anstatt Ursachenforschung zu betreiben, trainieren viele einfach weiter und vergessen dabei, dass schon kleine Fehler in den motorischen Abläufen Scherkräfte, Fehlbelastungen und Kompensationen zur Folge haben können. Ein grundlegendes Schlüsselelement im „Functional Training“ ist die Erhebung des Funktionsstatus, um das Risiko für Verletzungen oder Überlastungen bestimmen zu können.

Was genau ist „Functional Training”?

In den letzten Jahren ist der Trend „Functional Training“ aus Amerika nach Europa geschwappt. Von Anfang an war vielen Beobachtern klar, dass es sich dabei nicht unbedingt um neue Übungen oder gänzlich neue Trainingsinhalte handelt. Viele Trainingsgeräte sind ddaher auch nicht wirklich neu. Die Kettlebell finden wir schon in Büchern zum Athletiktraining aus den 1930er-Jahren und früher. Aber auch Turnringe, Gummibänder und Schlingentrainer sind keine ganz neue Erfindung. Schon in den 70er- und 80er-Jahren sind in Europa Überlegungen in der Funktionsgymnastik systematisch zusammengestellt worden. Dabei sollte das Training auf Defizite und die Funktionalität des Körpers ausgerichtet werden. Heute ist der Markt von vielen verschiedenen Produkten und Übungen geprägt. Oft ist für den Sportler nur schwer zu erkennen, was für das eigene Training geeignet ist. Grundlegend gilt, dass eine bestimmte Übung oder Übungsausführung selbst niemals funktionell oder unfunktionell sein kann. Je nach Problem oder Zielstellung eines Sportlers kann eine Übung funktionell werden, obwohl sie vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so wirkt. Dabei sind nachfolgende Fragen essenziell: Wovon ist die Übungsauswahl abhängig, und wie kann ich einen Sportler in seiner Leistungsentwicklung unterstützen?

Funktionelle Übungen müssen individuell zusammengestellt werden

Um einen Sportler in seiner Leistungsentwicklung zu unterstützen, sollte ein Trainer in der Lage sein, die Übungsauswahl auf seinen Athleten und die von ihm ausgeübte Sportart auszurichten und zusammenzustellen. Die Übungsinhalte sollten dabei grundlegend auf die Zielbelastungen übertragbar sein und hier auch wirken. Gerade auf diesem Gebiet liegen Erfolg oder Misserfolg des Functional Training sehr eng beieinander. Ein Blick in die Literatur und das Internet zeigt, dass das Athletiktraining mittlerweile in jeder Sportart eine sehr wichtige Rolle spielt. Wenn jedoch für Triathleten oder Läufer der „effektivste Zirkel“ oder „die besten Übungen für Ihr Training“ vorgestellt werden, sollten Sie skeptisch bleiben.

Training ist – und das gilt ganz besonders für das Athletiktraining – so individuell wie Ihr persönlicher Fingerabdruck. Eine Übung, die für einen Sportler sehr effektiv sein kann, schießt bei einem anderen Sportler am eigentlichen Problem vorbei.

Functional Movement Screen

Wenn in grundlegenden Bewegungsmustern Dysfunktionen vorhanden sind, liegt es auch sehr nahe, dass Sie nicht nur beim klassischen Training, sondern auch im Alltag um diese Probleme „herum trainieren“ oder ihnen „ausweichen“. Wenn Sie durch Training korrigierend eingreifen wollen, müssen Sie die Ursachen eines Problems kennen. Zu komplex sind die vielfältigen Ursachen beim Entstehen von Schmerzen. Eine der Hauptursachen für Verletzungen und Überlastungssyndrome sind Asymmetrien. Je stärker diese ausgeprägt sind, desto mehr Korrektur benötigen sie. Und genau diese Komplexität von Bewegung und der Bedeutung der grundlegenden Bewegungsmuster und deren Analyse und Korrekturstrategie bildet die Grundlage eines funktionellen Trainings.

Mit dem „Functional Movement Screen“ (FMS) gibt es die Möglichkeit, das Athletiktraining besser auf den Sportler auszurichten. Das Ziel des FMS ist es, Asymmetrien, Dysfunktionen und Schwachstellen im Körper aufzudecken. Die Grundlage bilden sieben verschiedene Bewegungsübungen, die jeder Mensch korrekt, das heißt ohne Ausweichbewegungen oder Schmerzen, durchführen können sollte. Eine tiefe Überkopfkniebeuge ohne Zusatzgewicht beispielsweise gibt dem Coach wichtige Informationen über die Beweglichkeit der Sprung-, Knie-, Hüft- und Schultergelenke, während gleichzeitig die Stabilität des Rumpfs und das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten beurteilt wird. Der Ausfallschritt überprüft zusätzlich die Beinachsen- und Rumpfstabilität, um die für den Alltag und Sport so bedeutende Fähigkeit, Sprung-, Knie- und Hüftgelenke des Standbeins im Lot beziehungsweise in einer Achse zu halten.

Beim FMS kommt ein einfaches Punktesystem zum Einsatz: Wird eine Übung optimal ausgeführt, werden drei Punkte vergeben. Sind leichte Ausweichbewegungen oder Kompensationen erkennbar, gibt es nur zwei Punkte. Kann eine Übung nicht vollständig ausgeführt werden, gibt es nur einen Punkt und wenn sie Schmerzen verursacht null Punkte. Maximal können also 21 Punkte erreicht werden.

Mobilität und Koordination: Bewegungen optimieren

Ein zentrales Ziel im Athletiktraining ist das Reduzieren von Überlastungsschäden. Die Beinachsenstabilität oder die Beweglichkeit in Hüfte, Schulterkomplex und die Aktivierungsfähigkeit der Gesäßmuskulatur sind zentrale Probleme, die es gilt, zu optimieren, da hier häufig Dysfunktionen oder Kompensationen die Ursache für Schmerzen und Überlastungssyndrome sein können. Dazu bedarf es einer sportartspezifischen Betrachtung der möglichen Verletzungsmuster und damit verbundener Risiken. Ergänzend dazu müssen individuelle Dysfunktionen – immer unter Berücksichtigung der disziplinspezifischen Probleme – in den Bewegungsmustern erkannt und korrigiert werden. Eine eingeschränkte Schultermobilität ist beispielsweise beim Schwimmen ein zentrales Risiko für negative Entwicklungen wie der „Schwimmerschulter“. Beim Laufen hingegen ist eine instabile Beinachse für unterschiedlichste Probleme ursächlich. Wer also alle Sportarten über einen „Kamm“ schert, läuft Gefahr, sich zu verlaufen und möglicherweise am Ziel vorbeizurennen. Abgesehen davon, müssen jedoch grundlegende Bewegungen optimal funktionieren.

Grundlagen bilden

Eine Grundvoraussetzung für optimale Leistungen ist die richtige Technik. So ist beim Laufen die Streckung in der Hüfte und im Knie für das optimale Übertragen der Kräfte notwendig, was jedoch einander bedingt. Wenn nun eine eingeschränkte Mobilität die optimalen Bewegungsabläufe verhindert, kann das Gesamtsystem nicht mehr perfekt aufeinander abgestimmt funktionieren. Unabhängig von der betriebenen Sportart ist die Mobilität ein wichtiger Baustein der athletischen Ausbildung eines Sportlers. Leistungsdiagnostische Verfahren hinsichtlich Sprint, Sprung, Kraft und Ausdauer sind wichtige Werkzeuge, die dabei helfen können, Defizite eines Sportlers auf der Ebene der motorischen Hauptbeanspruchungsformen zu erkennen und zu beheben. Das Archivieren und Auswerten der Ergebnisse ist dabei eine wichtige Hilfestellung. Allerdings darf das Testen auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Tests können helfen, das Training individuell zu optimieren, dürfen aber nicht das Ziel des Trainings sein. Es geht nicht darum, in einem Test besser zu werden, sondern in einer Zielbewegung, einer Zielsportart oder einem Teilbereich körperlicher Defizite.

Die Disziplin im Blick behalten!

Wenn Defizite auf der Ebene der Athleten behoben sind, muss das Ziel lauten, weitere Verbesserungen aufgrund der motorischen oder konditionellen Optimierung zu erzielen. Konditionell müssen dabei Inhalte aus Kraft- und Ausdauertraining aufeinander abgestimmt werden. Je nach Athlet können Schwerpunkte in unterschiedlichen Bereichen liegen. So kann ein Triathlet durch gezieltes Krafttraining möglicherweise schneller schwimmen, laufen oder Rad fahren. Treten jedoch im Verlauf des Wettkampfes zusehends technische Defizite auf, sollte das Krafttraining gezielt auf die jeweilige Disziplin ausgerichtet werden. Das Erstellen des Trainingsplanes erfordert zudem die Kenntnis der muskulären Beanspruchung innerhalb einer Trainingsmethode.

Fazit

Beim Functional Training müssen Inhalte immer auf die Zielsportart und die individuellen Probleme eines Sportlers ausgerichtet sein. Sind diese Grundfragen geklärt, können viele verschiedene Inhalte in das Training integriert werden. Wichtig ist, dass dabei jedoch nicht verschiedene Ziele miteinander vermischt werden. Stattdessen sollten Zielgrößen bestimmt werden, die den Schwerpunkt einer Trainingseinheit bilden. So lassen sich unterschiedliche Bausteine zusammenfügen, die im Ergebnis dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Dabei darf sich ein optimales „Athletiktraining“ nicht einseitig auf Kraft oder Stabilität reduzieren lassen. Alle motorischen Eigenschaften müssen bei der Analyse möglicher „Defizite“ eines Sportlers überprüft werden. Die inhaltlich Ausrichtung beim Functional Training muss daran gemessen werden, ob es gelingt, die erkannten Defizite zu reduzieren und die Athletik eines Sportlers zu optimieren.

Text: Dennis Sandig
Fotos: Klaus Arendt