Aquajogging: Alles, nur kein Hausfrauensport!

Aquajogging ist bei vielen als Rentnersport verpönt. Warum eigentlich? Wer einmal seine Laufeinheit ins Wasser verlegt hat, weiß, wie anstrengend das bei korrekter Ausführung ist.

 

Um das Vorurteil, Joggen im Wasser sei nur etwas für verletzte oder unsportliche Menschen, zu entkräften, haben wir uns mit Gesundheitsexperten, Trainern und Profis unterhalten.

Viele Weltklassesportler legen zur Schonung von Gelenken, Bändern und Sehnen bewusst und freiwillig regelmäßig Laufeinheiten ins Wasser, aber auch um einen anderen Belastungsreiz zu setzen. Jan Frodeno beispielsweise verbrachte während seiner gerade ausgeheilten Wadenverletzung viele Stunden im Wasser, um die Laufform nicht ganz zu verlieren. Wer sich mit der Thematik intensiv beschäftigt, stößt immer wieder auf Aussagen wie „Aquajogging macht mich an Land deutlich stärker“. Und auch Triathleten setzen mittlerweile das Laufen im Wasser nicht nur bei Verletzungen ein, sondern auch gezielt als Alternativtraining, beispielsweise nach harten Einheiten und Wettkämpfen zur Beschleunigung der Regeneration.

„Aquajogging mag für viele eintönig erscheinen, doch man kann im Wasser all das trainieren, was man auch an Land macht. Es ist definitiv kein Sport für Hausfrauen, und wenn man es richtig ausführt, ist es verdammt anstrengend und schweißtreibend!“
Natascha Schmitt | Profi-Triathletin

Training mit Köpfchen
Trainer wie Joachim Auer sagen unter anderem: „Die Umfänge im Ausdauersport sind in den letzen Jahre enorm gestiegen. Vor allem die ambitionierten Freizeitsportler tendieren dazu, zu viel zu trainieren. Wer die Laufumfänge nicht reduzieren möchte, sollte allerdings mit Köpfchen trainieren und den belasteten Strukturen wie Achillessehnen, Knie und Lendenwirbelsäule durch einen entsprechenden Ausgleich Ruhe und Regeneration gönnen. Hierfür bietet das Aquajogging eine hervorragende Möglichkeit, ein effektives Training mit sehr geringer Strukturbelastung durchzuführen. Die Gelenke werden ‚geschmiert’, und Bewegungsabläufe werden fast ohne Druckbelastung geübt, und auch das Herzkreislaufsystem kann mit intervallartigen oder Dauerbelastungen gefordert und trainiert werden. Und aus diesen Gründen sollte Aquajogging nicht nur ein Teil einer Rehamaßnahme sein. Regelmäßig eingesetzt, ist es Prävention und Training zugleich.“ Aber was steckt genau dahinter?

Wasser und seine Vorzüge
Das Element Wasser birgt viele positive Eigenschaften in sich. Durch den Auftrieb fühlt man sich im Wasser viel leichter, die Wirbelsäule, Knie und Gelenke werden entlastet, was vor allem übergewichtigen Personen und Menschen entgegenkommt. Wasser weist eine rund 800-mal höhere Dichte als die Luft auf. Aufgrund des höheren Widerstandes ist das Wasser bereits bei allen Bewegungen als ein Trainingsgerät anzusehen. Der Wasserwiderstand trainiert den gesamten Körper. Zusätzlich strafft seine massierende Wirkung das Gewebe und wirkt wie eine Art Lymphdrainage, was wiederum Menschen mit einer Bindegewebsschwäche entgegenkommt. Der hydrostatische Druck im Wasser unterstützt zudem den venösen Rückfluss zum Herzen. Die speziellen physikalischen Eigenschaften des Wassers lassen zudem auch eine höhere Belastung des Kreislaufes zu, die vom Sportler aber als viel angenehmer empfunden wird. Zudem wird der Stoffwechsel, sprich die Fettverbrennung, angekurbelt.

„Aquajogging spielt bei meinem Training eigentlich nur bei verletzten Athleten eine Rolle. Die Vorteile liegen darin, dass verletzte Athleten keine Stoßbelastungen im Wasser haben und die Laufbewegung ausführen können. Man kann dadurch sehr gut das Herz-Kreislauf-System trainieren und die Lauftechnik imitieren. Trotzdem sollte man vorsichtig damit umgehen, denn bei bestimmten Verletzungen ist auch Aquajogging kontraproduktiv!“
Wolfram Bott | Bundesstützpunkttrainer/Landestrainer in Freiburg

Einfach umzusetzen
Grundsätzlich funktioniert Aquajogging genauso wie das Laufen an Land. Der Körper schwebt im Wasser und erhält Auftrieb durch eine Weste oder einen speziellen Gurt. Ganz ohne Auftriebshilfe ist man auf eine konstante Wassertiefe (Hüft- bis Brusthöhe) angewiesen und hat bei jedem Schritt einen Bodenkontakt. Dabei gehen die Vorteile des Aquajoggings aber teilweise verloren. Die Bewegung ist eine Art Kniehebelauf, die durch Frequenz und Amplitude variieren kann. Zu beachten ist dabei, dass die Hüfte vorne und der Oberkörper in einer aufrechten Position bleibt. Wenn der Sportler die Bewegung sauber ausführt, ist Aquajogging ein Training für den gesamten Körper. Beansprucht werden nicht nur die Beine, sondern auch Arme, Schultern und die Haltemuskulatur. Die Intensität kann zum einen über die Bewegungsfrequenz- und Amplitude gesteuert werden, zum anderen über zusätzliches Equipment wie Handschuhe oder Beinschwimmer, die den Widerstand im Wasser erhöhen. Wer gezielt die Arme trainieren möchte, kann zudem Aqua Handles nutzen. Diese „Trichter“ erzeugen in eine Richtung höheren, in die Gegenrichtung geringeren Wasserwiderstand. Zwei ergonomisch geformte Griffe, wie man sie vom Nordic Walking oder Langlaufen kennt, ermöglichen den kontrollierten Druckaufbau im Wasser.

„Beim Aquajoggen werden im Wasser die Laufprogramme häufig 1:1 umgesetzt. Dabei sollte es in einer ersten Phase zu einer Bestimmung der Trainingsherzfrequenzen kommen, abgesichert durch Laktatmessungen. Der Puls beim Aquajoggen ist tiefer als beim normalen Laufen und verhält sich aus meiner Erfahrung heraus sehr individuell“, erklärt Dan Lorang, früherer Bundestrainer Elite der Deutschen Triathlon Union, auf Nachfrage. „Daher sind Kontrollen wichtig, vor allem dann, wenn ein Athlet gezwungen ist, mehrere Wochen das normale Laufen durch Aquajogging zu ersetzen.
Dan Lorang | ehemaliger DTU-Bundestrainer

Wenn die Pulsbereiche festlegt sind, kann der Athlet ganz gezielt im richtigen Stoffwechselbereich trainieren. Aquajogging bietet sich auch sehr gut für kurze, harte Intervalle an, wobei auch hier die Auswirkung auf den Stoffwechsel zu berücksichtigen ist. Der Widerstand im Wasser führt zudem dazu, dass die hintere Oberschenkelmuskulatur und der Hüftbeuger stärker beansprucht werden, als dieses beim normalen Laufen der Fall ist. Gleiches gilt auch für den Schultergürtel. Das Ganze kann zu einem positiven Transfer beim normalen Laufen führen und äußert sich in einer stabileren Körperspannung an Land. Entscheidend ist jedoch, dass beim Aquajoggen auf die Körperposition geachtet wird. Bei richtiger Ausführung ist Aquajoggen auf der Stelle möglich. Wer sich schnell nach vorne bewegt, macht meistens etwas falsch. Und mit Schuhen am Fuß wird das Aquajoggen noch effektiver und kommt näher an die normale Laufbewegung ran. Im Sommer bietet es sich an, im See das Training durchzuführen, um nicht noch mehr Zeit im Schwimmbad zu verbringen.“

Bei der Belastungsgestaltung im Wasser sind folgende Aspekte zu beachten:

  • Durch die verminderte Schwerkraft ist die Herzfrequenz um etwa 20‒30 Prozent niedriger als an Land.
  • Der Laktatwert ist bei gleicher Belastung im Wasser höher als an Land. Allerdings wird er durch den erhöhten Wasserdruck auch schneller abgebaut.
  • Hohe Wassertemperaturen ziehen eine höhere Herzfrequenz nach sich.

Effiziente Trainingsalternative
Für die Profi-Triathletin Natascha Schmitt ist das Aquajogging eine der effizientesten Trainingsalternativen fürs Laufen überhaupt. „Mittels dieser Trainingsform lässt sich der Trainingsumfang erhöhen und die Lauftechnik verbessern, ohne den Bewegungsapparat weiter zu belasten und Verletzungen zu riskieren. Schon seit Beginn meiner Laufkarriere ist Aquajogging ein häufig verwendeter Baustein in meinem Trainingsplan. Beispielsweise setze ich Aquajogging nach harten Trainings- und Wettkampfbelastungen ein, um den Bewegungsapparat zu schonen und die Regeneration voranzutreiben. Darüber hinaus kann ich meinen Trainingsumfang durch eine weitere Laufeinheit im Wasser erhöhen.“ Je nach Zielsetzung dauert ein Training zwischen 30 und 90 Minuten. Grundsätzlich lassen sich alle Trainingsformen übertragen, sodass der Sportler im Wasser vom regenerativen Lauf über Intervalltraining bis hin zum langen Dauerlauf alles absolvieren kann. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Grundlageneinheit (60 Minuten)

immer im Wechsel: 4 Minuten GA1 (normale Laufbewegung) + 1 Minute Roboter-Gang (gestreckte Arme und Beine), 12 Wiederholungen

Langes Intervalltraining (entspricht 10 x 1.000 Meter an Land)

  • 15 Minuten Einlaufen: je 3 x 20 Sekunden Lauf-ABC (Fußgelenksarbeit, Skippings, Anfersen) mit je 40 Sekunden locker dazwischen, danach 2 Minuten locker,
  • 3 x 30 Sekunden Steigerung mit 30 Sekunden locker dazwischen, danach wieder 2 Minuten locker,
  • dann 8 x 4 Minuten GA2 mit je 3 Minuten locker dazwischen,
  • 15 Minuten Auslaufen

Kurzes Intervalltraining kurz (circa 60 Minuten)

  • 15 Minuten Einlaufen: je 3 x 20 Sekunden Lauf-ABC (Fußgelenksarbeit, Skippings, Anfersen) mit je 40 Sekunden locker dazwischen, danach 2 Minuten locker,
  • 3 x (6 x 40 Sekunden maximal mit je 20 Sekunden Pause), nach jeder Serie 3 Minuten locker bewegen,
  • 15 Minuten Auslaufen

In Grundlageneinheiten baue ich zum Beispiel immer wieder verschiedene Techniken wie Roboter-Gang (gestreckte Arme und Beine), Laufen ohne Armbewegung, Anfersen etc. ein, um für neue Reize und Abwechslung zu sorgen. Vor einem Intervalltraining absolviere ich wie auch an Land ein kurzes Technik-Programm ‒ Lauf-ABC wie Fußgelenksarbeit, Anfersen und Skippings und einige Steigerungsläufe ‒, bevor ich mit dem eigentlichen Hauptprogramm beginne.

Michael Göhner hingegen hängt das Aquajogging häufig an das Schwimmtraining an: „Bei einer Aquajogging-Einheit bin ich bis zu einer Stunde im Wasser. Die separate Trainingseinheit versuche ich möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Nach einem Einlaufen im GA1-Bereich folgt zunächst ein Lauf-ABC mit Kniehebelauf, Anfersen, gestreckten Beinen, den Armen nach vorne, seitlich, oben und so weiter. Danach absolviere ich ein Programm ähnlich wie an Land. Beispielsweise laufe ich im Wasser 8 x 3 Minuten im GA2-Bereich, unterbrochen durch aktive Pausen von zwei Minuten. Das entspricht ungefähr einem 8 x 1 Kilometer langen GA2-Lauf an Land mit einer zweiminütigen Trabpause. Auch nachdem meine Verletzung ausgeheilt ist, möchte ich weiterhin Aquajogging machen. Durch den Einsatz dieser Trainingsmethode möchte ich das reine Kilometersammeln an Land vermeiden und nach Tempoläufen oder langen Einheiten ein Training ins Wasser verlagern. Eine vollständige Alternative zum Laufen im Wald ist Aquajogging für mich allerdings nicht. Alleine das Gefühl, einen Waldweges unter den Füßen zu haben sowie die frische Luft und die schöne Umgebung im Wald genießen zu können, machen den Sport in der Natur für mich unverzichtbar!“

Text: Meike Maurer
Fotos: Aqua Kinetics und Privat