Laufen am Berg

Xterra_Malte-2016_tritime_2Nichts ist schlimmer als monotones Training. Wie wär’s daher mit Berganläufen? Welchen Trainingsreiz sie bringen und wie man die Läufe in den Hügeln am besten dosiert, weiß Michael Schardt.

 

„In vollem Lauf den Berg hinauf“, hieß es schon im Marschlied der legendären Blechbüchsenarmee aus der Augsburger Puppenkiste. Der Song hatte für die lustige Truppe am Berg nicht nur einen motivierenden Charakter, sondern machte sie dank hinzugewonnener Kraft und Ausdauer (fast) unschlagbar. Auch Läufer profitieren von Einheiten im welligen Gelände. Wie funktioniert das Hügeltraining, wozu ist es gut, und was gibt es zu beachten? Das soll hier auch für diejenigen vorgestellt werden, die in topfflachen Gegenden wohnen.

Der erste Trainer, der die Bedeutung des Hügeltrainings erkannte und es im Mittel- und Langstreckenbereich systematisch und erfolgreich einsetzte, war der Neuseeländer Arthur Lydiard ab Ende der 1950er-Jahre. Er baute solche Einheiten als vier- bis sechswöchigen Block in eine periodisierte Trainingsgestaltung ein. Die These, es führe vermehrt zu Verletzungen, ist längst widerlegt. Heute weiß man, dass dies nur eingeschränkt für Bergab-, nicht aber für Berganläufe gilt.

Wohl dosieren
Im Gegenteil: Berganlaufen fördert den Laufstil, die Laufökonomie und die Kraft, die zusätzlich vor Verletzungen schützt. Außerdem ist die Stoßbelastung deutlich geringer. Die Annahme, das Hügeltraining wirke sich negativ auf die Schnelligkeit aus, ist ebenso falsch. Wird es neben Formen des Schnelligkeitstrainings eingesetzt, sind oft Verbesserungen der Zeiten zu erwarten. Das jedenfalls haben Studien nachgewiesen.

In der Praxis
Nach einer Warmlaufphase in flachem Terrain (15 bis 20 Minuten) wird eine Anhöhe hinaufgerannt. Dies aber anfangs in einem reduzierten Modus, da die Anstrengung recht rapide steigt, da ein deutlich erhöhter Widerstand überwunden wird. Ist man nach einem vorsichtigen Abwärtslauf wieder am Ausgangspunkt angelangt, kann der Vorgang je nach Länge und Schwierigkeit der Strecke mehrmals wiederholt werden, sofern nicht ausgedehnte wellige Strecken zur Verfügung stehen. In fortgeschrittenem Stadium dürfen dann auch die Geschwindigkeit, der Schwierigkeitsgrad und die Anzahl der Anläufe gesteigert werden, wodurch der Berglauf zu einem verdeckten Tempotraining wird.

Einen Gang höher
Der Blick sollte beim Hügelanlaufen nach oben gerichtet sein und die Neigung des Körpers zum Berg. Die Schritte werden automatisch kürzer und schneller. Bei einer sanften Steigung empfiehlt es sich, nicht auf dem Vorderfuß zu laufen, sondern ganz abzurollen, da es sonst schnell zu anstrengend wird. Am Gipfel angekommen, ist sofort in den normalen Laufmodus zurückzukehren wie ein Radfahrer, der einen Gang höher schaltet.

Vorsicht walten lassen
Vorsicht ist beim Bergablaufen geboten, das allzu rasch ein zu hohes Tempo bei gleichzeitigem Nachlassen der Konzentration herausfordert. Da ist es vor allem in etwas unwegsamem Gelände schnell passiert, dass man umknickt oder über einen Ast stolpert. Außerdem kommt es zu einer höheren Stoßbelastung, was insbesondere für die Kniegelenke schädlich und die Muskulatur (Oberschenkel) schmerzhaft sein kann. Deshalb: Zu Beginn besondere Vorsicht walten lassen beim Abstieg und unbedingt runter vom Tempo.

Bergige Intervalle
Versiertere Sportler können ihr Intervalltraining am Hügel durchführen, in dem sie eine überschaubare Strecke von vielleicht 20, 30 oder 100 Metern öfters in hohem Tempo, vielleicht sogar über die Wettkampfgeschwindigkeit hinausgehend, hochsprinten und dann langsam oder sogar gehend zurückkehren an den Ausgangspunkt. Das steigert die Intensität gegenüber den normalen Intervallen deutlich, ist aber eher für Mittel- oder kurze Langstreckler geeignet.

Erfinderisch und kompromissbereit
So weit, so gut, aber was ist mit denjenigen, die keine Hügel oder Berge vor der Haustür haben? Fallen die durchs Raster? Keinesfalls, denn für die gibt es fast immer Lösungen. Im ach so flachen Ostfriesland werden ehemalige Mülldeponien fürs Hügeltraining genutzt oder Sanddünen. Andere Sportler nutzen Brücken oder Überführungen, um sie wiederholt zu erstürmen. Lässt sich einfach kein Anstieg, sei er noch so klein, finden, dienen Treppen als Ersatz. Man muss nur erfinderisch und kompromissbereit sein. Und wenn alle Stricke reißen, dann hilft das Laufband zu Hause oder im Fitness-Studio, durch verschiedene Steigerungsstufen Berge zu imitieren. Hat man sich einmal mit dem Hügel angefreundet, kann das Bergtraining die Freude am Laufen noch etwas weiter erhöhen, als sie es ohnehin schon ist.

Xterra_Malte-2016_tritime_1Text: Michael Schardt
Fotos: Klaus Arendt