Nahrungsmittelintoleranzen

Ernährung und Lifestyle sind ein wichtiger Teil der gesundheitlichen Prävention. Die Ernährung spielt eine große Rolle, denn sie beeinflusst den Blutzuckerspiegel, die Hormone und unser Wohlbefinden. In Form zu bleiben, bedeutet zu wissen, welche Reize das Energieniveau stören.

Der Organismus wird unter anderem durch nicht vertragene Lebensmittel stark belastet. Genau wie zur Bekämpfung eines eingedrungenen Krankheitserregers werden entzündungsfördernde biochemische Zellinhalte freigesetzt und müssen später wieder entsorgt werden.

Nahrungsmittelunverträglichkeiten beeinflussen unmittelbar die Darmgesundheit und können zudem überall im Körper Entzündungen verursachen. Das Energieniveau wird durch die gestörte Stoffwechselfunktion und das fehlgeleitete Immunsystem unmittelbar herabgesetzt, da dieselben Zellen, die Bakterien oder Viren bekämpfen, nun ein Lebensmittel attackieren. tritime-Chefredakteur Klaus Arendt traf sich in Potsdam mit Dr. Silvia Slazenger und unterhielt sich mit der Expertin für Ernährung und Inflammation über eine Thematik, die in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus der Menschen gerückt ist.

Nahrungsmittelintoleranz (NMI) ist ein sehr aktuelles Thema. Es betrifft nicht nur Sportler, sondern auch einen Großteil der Bevölkerung. Was bedeutet NMI im Detail und existieren Unterschiede?
Dr. Slazenger: Der Wissensstand, die Meinungen, die Erklärungs-Ansätze über die  Nahrungsmittel-Intoleranz (NMI) sowie die frei verfügbaren Informationen sind sehr unterschiedlich. Daher gilt dieses Thema als umstritten und entzündet bei vielen Patienten und Therapeuten oftmals heftige Diskussionen. Bisher gibt es keine klare Definition für NMI, und NMI muss daher als Sammelbegriff für meist komplexe und vielfältige Ursachen verstanden werden. So erklärt sich auch der Dschungel an Informationen. Grob kann zwischen enzymatisch und genetisch bedingten Intoleranzen und „Fehlfunktionen“ des Immunsystems unterschieden werden. Die verschiedenen Formen von Laktose-Fruktose- oder Histamin-Intoleranz haben meist einen Enzymmangel oder einen Gendefekt als Ursache und sind recht gut zu diagnostizieren. Es kann sich aber auch um eine sekundär erworbene Unverträglichkeit im Zusammenspiel mit dem Immunsystem handeln und zusätzlich noch andere, individuell unverträgliche Substanzen aus der Ernährung oder der Umwelt beinhalten. Dazwischen gibt es viele Feinabstufungen und Mischformen. Sehr wichtig ist auch, NMI grundsätzlich von einer klassischen Nahrungsmittelallergie Typ 1 oder Allergien zu unterschieden, bei denen die Symptome kurz und heftig nach der Nahrungsaufnahme auftreten. Niesreiz, Hautjucken, Erbrechen und gegebenenfalls eine damit verbundene Atemnot ist ein Fall für den Allergologen.

Wie reagiert der Körper bei einer Unverträglichkeit?
Wenn das Immunsystem Nahrungsmittel als gefährlich identifiziert, bekämpft es diese wie sonst einen Krankheits-Erreger mittels einer Entzündungsreaktion. Allerdings mit einem problematischen Unterschied: Im Gegensatz zu einer Infektion nehmen wir Nahrungsmittel regelmäßig, in aller Regel täglich zu uns, und so kann es zu einer dauerhaften Abwehrreaktion kommen. Die Symptome zeigen sich meist erst zeitverzögert und müssen anfangs auch gar nicht spürbar sein. Sie belasten jedoch den Körper und beeinträchtigen dessen Leistungs- fähigkeit, sodass chronische Beschwerden und Folgeerkrankungen auftreten können.

Ich habe kürzlich von einer inflammatorischen NMI gehört. Was ist darunter zu verstehen?
Makrophagen und vor allem Neutrophile Granulozyten, die mit rund 70 % die größte Untergruppe der weißen Blutkörperchen darstellen, sind wichtige Akteure bei der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Entzündung. Neutrophile sind einzigartig mit einer hohen Phagozytose-Kapazität ausgestattet und einem großen Arsenal schnell synthetisierter oder bereits im Zellinneren vorgebildeter „Waffen“ gegen Mikroben. Sie besitzen die Fähigkeit, „Zellmüll“ zu fressen und zu entfernen. Sie können schnell und unspezifisch reagieren und bilden somit eine erste wirksame Verteidigungslinie. Doch das Immunsystem ist ein zweischneidiges Schwert: Genau diese Unspezifität kann zum Verhängnis werden, wenn sie fälschlicherweise dauerhaft aktiviert wird. Aktivierte Neutrophile Granulozyten schütten zur Vernichtung der vermeintlichen Gefahren oxidativ und proteolytisch wirkende Substanzen aus, die sogenannten „Freien Radikale“ (RNOS) und verschiedene Enzyme. Dazu gehören die Stickstoffmonoxid-, Superoxid- und Peroxonitrit-Radikale sowie die Myeloperoxidase, ein Enzym, das die Bildung oxidativ wirkender hypochloriger Säure koordiniert, Wasserstoff- peroxid, das kein freies Radikal darstellt, aber in hohem Grade zelltoxisch ist und andere Stoffe.

Als Folge einer kontinuierlichen Entzündungsreaktion wird zunächst auch das umliegende Gewebe massiv geschädigt. Durch die Verteilung dieser Substanzen im Körper können auch andere Areale in Mitleidenschaft gezogen werden. Weiterhin wird über inflammatorische Botenstoffe (Zytokine) das restliche Immunsystem mit eingeschaltet. Bleibt der auslösende Reiz bestehen, wird auch die Entzündung chronisch unterhalten, ein Fall von unerwünschtem „positivem Feedback“. Forscher haben beobachtet, dass bei langanhaltenden systemischen Entzündungsprozessen eine Autoimmunität auftreten kann.

 

Inwiefern schränkt eine Nahrungsmittelintoleranz auch die Leistung eines Sportlers ein?
Wenn das Immunsystem aufgrund einer „Intoleranz“ ständig aktiviert wird, kann es vor allem zu Müdigkeit und Leistungseinbrüchen kommen. Weiterhin werden exzessiv schädliche RNOS und biochemische Botenstoffe produziert, welche zu Gewebs-schädigungen und dem vorzeitigen Altern der Muskeln führen können. Gerade der Körper eines Hochleistungsathleten muss sowieso mit erhöhtem oxidativem Stress umgehen: Bei der Mitochondrien-Aktivität der Zellen zur Energiegewinnung entsteht natürlicherweise auch immer ein gewisses Maß an freien Radikalen als biochemisches Nebenprodukt. Bei einem Sportler in gesteigertem Maße, da auch mehr Energie produziert wird. Bei regelmäßigem (!) moderatem Training passt sich normalerweise der Körper an und bildet vermehrt Radikalfänger. Eine extreme Belastung oder Wettkämpfe führen jedoch in jedem Falle zu einem starken Anstieg an RNOS. Der hohe Level sinkt erst im Verlauf mehrerer Tage nach dem Event. Athleten haben in dieser Zeit einen erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen, um den oxidativen Stress abzubauen. Kommt nun auch noch die Radikalbildung durch NMI dazu, steigt die Grundbelastung deutlich an. Die Arbeit, alle RNOS adäquat zu entsorgen, wird für den Körper schlichtweg zu viel. Auch die externe Zufuhr von Mikronährstoffen und Radikalfängern kann nur bedingt helfen, diese Symptome zu lindern, setzt jedoch nicht bei den Ursachen an und verhindert auch nicht die folgenden Interventionen des Immunsystems.

NMI kann außerdem Störungen und Entzündungen der Darmschleimhaut verursachen, was die Nährstoffaufnahme generell vermindern und speziell auch zu Serotonindefiziten führen kann. Dem Körper steht weniger Energie zur Verfügung, und das Verlangen nach Zucker wird größer, um diesen Mangel auszugleichen. Zucker jedoch behindert den Körper massiv beim Abbau von freien Radikalen, womit ein Teufelskreis beginnt! Langfristig sollte daher Vorsicht geboten sein mit der Auswahl stark zuckerhaltiger Energieriegel, Gels und Isogetränken. Magen-Darm Beschwerden (häufig bei Läufern), Gewichtsprobleme und Hautprobleme können ebenfalls durch NMI hervorgerufen oder aber verstärkt werden.

Bestimmte immunbiologische Botenstoffe blockieren die Insulinrezeptoren an Muskel-, Gehirn- und Leberzellen. Die Muskelzellen werden ausgehungert, da wichtige energieliefernde Stoffe stattdessen in Form von Fett gespeichert werden, wodurch sich auch erklären lässt, warum Menschen durch eine Lebensmittel-Intoleranz dick werden können. Auch Entzündungen der oberen und unteren Atemwege können durch eine NMI verursacht werden. Die hierdurch beeinträchtigte Atemfunktion schränkt die sauerstoffabhängigen Stoffwechselfunktionen ein und setzt das Leistungsniveau herab. Entzündete Atemwege können insbesondere beim Schwimmen zu gefährlichen Komplikationen führen. Letztlich sorgt zu viel oxidativer Stress auch für eine schnellere Alterung sämtlicher Zellen, das sogenannte „Inflamm-Aging“. Die frühzeitige Verminderung der sportlichen Leistungsfähigkeit und ein schlechterer Gesundheitszustand nach der intensiven sportlichen Lebensphase sind die Folge.

Und wie kann ich diesen getarnten Leistungskiller identifizieren?
Zur Identifizierung solcher „inflammatorischen“ Nahrungsmittelintoleranzen gibt es beispielsweise mit dem Alcat-Test derzeit einen Test auf dem Markt, der die oben beschriebenen Reaktionen weißer Blutkörperchen und damit den initialen Basisprozess der Entzündungsentstehung überwacht. Er kann somit eine aufschlussreiche Hilfestellung geben, welche Nahrungsmittel individuell nicht verträglich sind. Die Ergebnisse des Alcat-Tests werden in einen passenden Ernährungsplan integriert. Somit steht ein effektives und nachhaltiges Gesamtkonzept zur Verfügung.

Immer wieder ist zu lesen, das Gluten ungesund sein soll. Ist dem so?
Gluten ist das Kleberprotein in Weizen und einigen anderen Getreiden. Es hat sich herausgestellt, dass es im Körper ungünstige biochemische Prozesse in Gang setzen und zur Durchlässigkeit der Darmbarriere führen kann. Dies wiederum kann verschiedene Probleme nach sich ziehen und die Ursache vielfältiger Symptome sein, beispielsweise Verdauungsbeschwerden, Gelenkschmerzen, Hautausschlag, Kopfschmerzen, Müdigkeit und „benebelt sein“ („foggy mind“). Doch auch hier spielt das richtige Maß eine wichtige Rolle. Der Körper ist durchaus in der Lage, mit Gluten umzugehen. Jedoch ist er an einen Ernährungsstil angepasst, der über Jahrtausende hinweg wenig Getreide beinhaltete. Die Kultivierung von glutenhaltigen Getreidesorten und deren exzessiver Verzehr fand erst in den letzten paar_Tausend Jahren statt, aus evolutiver Sicht gerade einmal ein Augenzwinkern. Hinzu kommt, dass wir Gluten im Gegensatz zu fast allen anderen Proteinen nicht komplett verdauen können. Das Immunsystem betrachtet es scheinbar als eine Art bakterielle Komponente und bekämpft es entsprechend. Die meisten Menschen merken davon nichts. Der Kampf findet kontrolliert statt und wird siegreich ausgetragen. Bei mäßigem Verzehr kann diese Art Kampf sogar gut sein, da das Immunsystem auch ein beständiges Training braucht, um in Balance zu bleiben und die Immuntoleranz gegenüber eigenen Zellen und harmlosen Substanzen zu erhalten. In einigen Fällen kann es aber auch zu Kollateralschäden, das heißt zu Entzündungsreaktionen kommen. Diese wiederum können zur Ausprägung einer Zöliakie, Glutensensitivität oder Weizenallergie führen, je nachdem welche individuellen genetischen und immunologischen Komponenten eine Rolle spielen.

Auch ist die Toleranzgrenze, wie viel Gluten der Einzelne verträgt, individuell sehr unterschiedlich. Deswegen Gluten aber prophylaktisch komplett aus der Ernährung zu streichen, wäre extrem und unsinnig. Einer fanatischen „Anti-Gluten-Diät“ und dem Trend, Gluten niederzumachen, muss man deswegen kritisch entgegentreten. Eine glutenfreie Ernährung spielt für zöliakische und glutensensitive Personen eine wichtige Rolle, es handelt sich aber nicht um eine „South-Beach-Diät“, wie Prof. Fasano, einer der führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet, treffend anmerkte. Viel wichtiger ist es, herauszufinden, ob man selbst von einer Glutensensitivität oder einer Zöliakie betroffen ist. Dies ist gar nicht so leicht, da sich vor allem Glutensensitivität symptomatisch als ein wahres Chamäleon erweist. Am häufigsten scheinen Kopfschmerzen, Müdigkeit und Gelenkschmerzen aufzutreten. Doch es gibt genug Möglichkeiten zur Differenzialdiagnose. Ob generell eine inflammatorische Reaktion auf Gluten vorliegt, kann zum Beispiel mit dem Glutensensitivitäts-Scan von Alcat geprüft werden.

Kann ich auch gegen Nahrungsergänzungsmittel oder Kräuterextrakte intolerant sein?
Ja, natürlich. Alle Substanzen, die den Darm passieren und nicht körpereigen sind, können potenziell eine Abwehrreaktion hervorrufen. Vor allem dann, wenn bereits eine Irritation der Immunabwehr und eine Schädigung der Darmbarriere vorliegen und die Substanz regelmäßig konsumiert wird. Deswegen sind Nahrungsergänzungsmittel, welche an sich unterstützend für den Körper wirken sollen, ein diffiziles Thema. Was für den einen hilfreich ist, kann für den anderen schädlich sein. Auch hier spielt die individuelle Toleranzgrenze eine wichtige Rolle, besonders bei langfristiger Einnahme. Der vorhin erwähnte Test bietet aus diesem Grund die Testung vieler natürlicher Inhaltsstoffe (insgesamt 100 Substanzen) von Supplementen an, wie zum Beispiel Acai, Guarana oder Glucosamin.

Und wie sieht Ihre ernährungstechnische Höchstleistungsempfehlung aus?
Eine Lebensmittelauswahl, die mit Ihrer persönlichen Veranlagung im Einklang steht, wird Ihre Kraft und Energie steigern. Die Basis sollte sicherlich, allgemein betrachtet, eine gut ausgewogene und vitalstoffreiche Ernährung sein. Aber wie diese im Detail aussieht, ist individuell verschieden. Enttarnen Sie Ihre Schwachstellen in der Ernährung, um bestehende Symptome wie Müdigkeit, Hautprobleme oder Magen-Darm-Störungen erfolgreich einzudämmen oder vorzubeugen. Das können Defizite sein, die substituiert werden können. Die Regeneration ist auch ein wichtiger Aspekt. Ernährungstechnisch ganzheitlich betrachtet, ist es aber auch unverzichtbar, oxidativen Stress und Inflammation zu kontrollieren: Verwandeln Sie durch eine optimal angepasste Ernährung Inflammation in olympisches Feuer. Dann steht der persönlichen Topform nichts  im Weg!

Frau Dr. Slazenger, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Frau Dr. rer. nat. Silvia Slazenger ist als Medical Advisor bei Alcat Europe zum Thema Ernährung, Entzündung und Immunbalance tätig. Als Biologin mit Schwerpunkten Mikrobiologie und Immunologie verfügt sie über ein breites Wissensspektrum in diesem Gebiet. Sie hält Vorträge und Schulungen für Ärzte verschiedener Fachrichtungen, ist Ansprechpartnerin für Anwendungsstudien und Verfasserin von Beiträgen für Fachzeitschriften. Weiterhin berät sie fachlich tief interessierte Privatkunden zum Alcat Test.

weitere Information: alcat-europe.com