Anti-Doping-Studie: Stellungnahme

Am 14. November 2013 entfachte die von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz veröffentlichte Studie „Associations between Physical and Cognitive Doping – A Cross-Sectional Study in 2.997 Triathletes“ in Triathlonkreisen und den sozialen Medien heftige Diskussionen und erhitzte die Gemüter vieler Ausdauersportler. Dr. Pavel Dietz nimmt stellvertretend für die Autoren der Studie (Pavel Dietz, Rolf Ulrich, Robert Dalaker, Heiko Striegel, Andreas G. Franke, Klaus Lieb und Perikles Simon) Stellung. Die vollständige Studie „PLoS One 2013;8(11):e78702“ kann auf der Homepage der tritime unter blog.tritime-magazin.de eingesehen werden.

Der Konsum von leistungssteigernden Substanzen spielt nicht nur im Sport eine Rolle, sondern konnte mittels empirischer Untersuchungen auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft nachgewiesen werden. Vor allem Studierende und Akademiker stellen laut dieser Studien Risikokollektive für die missbräuchliche Einnahme verschreibungspflichtiger Medikamente dar. Hierbei geht es im Gegensatz zum Sport nicht darum, durch die Einnahme von Substanzen die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern, sondern um eine Verbesserung kognitiver Fähigkeiten, welche in akademischen Berufen und im Studium als leistungsrelevant gelten (Wachheit, Konzentrationsfähigkeit, Stimmung). Ein maßgeblicher Unterschied bei der Einnahme von leistungssteigernden Substanzen im Sport und Beruf oder Studium ist, dass der Konsum definierter Substanzen im Sport verboten ist und kontrolliert wird.

Zielsetzung der Studie
Das Ziel der während der Triathlon-Saison 2011 durchgeführten Studie war es, die geistige Leistungsfähigkeit nach dem Training bei Triathleten zu erfassen. Im Rahmen der Studie wurde unter anderem erstmals untersucht, ob der Konsum von Substanzen zur körperlichen Leistungssteigerung im Sport mit dem Konsum von Substanzen zur kognitiven Leistungssteigerung in Studium oder Beruf (Cognitive Enhancement) einhergeht. Das Kollektiv der Triathleten erschien für die Überprüfung dieser Frage als geeignet, da Triathleten nicht nur im Bereich des Sports, sondern auch darüber hinaus als leistungsorientiert und zielstrebig gelten. Das Ziel war also nicht, wie von einigen Medienvertretern berichtet wurde, eine „Dopingstudie“ im Triathlon durchzuführen. Der Artikel in PLoS One bezieht sich auf den Teil der Studie zum Substanzgebrauch. Einige ausgewählte Ergebnisse zur geistigen Leistungsfähigkeit der befragten Triathleten nach dem Training sind bereits in einer früheren Ausgabe des Fachmagazins tritime | Leidenschaft verbindet erschienen (Ausgabe 03|2013, Seite 28–32). Des Weiteren ermöglichte die Studie die Überprüfung der sogenannten „gateway drug theory (Gateway-Hypothese)“. Vereinfacht ausgedrückt sollte hier untersucht werden, ob der Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln, welche frei erhältlich sind und deren Gebrauch nicht verboten ist, den Konsum von illegalen und verbotenen Substanzen begünstigt. Daher galt es neben der oben beschrieben Dimension physische/kognitive Leistungssteigerung noch hinsichtlich einer zweiten Dimension, nämlich derjenigen der Legalität/Illegalität, zu differenzieren. Infolgedessen unterscheiden die Autoren in der Publikation zwischen Enhancement und Doping.

Kritikpunkte
Ein Kritikpunkt, der in den Internetforen laut wurde, war, dass bei der Befragung nicht die Dopingdefinition der WADA für „körperliches Doping“ verwendet wurde, welche lautet: „Doping wird definiert als das Vorliegen eines oder mehrerer der nachfolgend in Artikel 2.1 bis Artikel 2.8 festgelegten Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen.“ Stattdessen wurde „körperliches Doping“ unter Einsatz eines indirekten Befragungsverfahrens (Randomized Response Technique) wie folgt abgefragt: „Haben Sie zur Steigerung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit in den letzten 12 Monaten Substanzen eingenommen, die es nur in der Apotheke, beim Arzt oder auf dem Schwarzmarkt gibt (z. B. anabole Steroidhormone, EPO, Wachstumshormone, Aufputschmittel)?“

Dies hatte einen forschungspraktischen Grund: Es war nicht anzunehmen, dass die befragten Triathleten, zu denen keine Profisportler gehörten, jede einzelne auf der Verbotsliste der WADA genannte Substanz kennen würden. Daher galt es eine für den Hobbyathleten vereinfachte Definition zu finden, unter der sich jeder Athlet etwas vorstellen konnte. Zudem umfasst die Dopingdefinition der WADA nicht nur den Konsum von Substanzen, sondern außerdem noch Methodendoping sowie Verstöße gegen die „where-about“-Richtlinien. Derartige Verstöße sollten im Rahmen der vorliegenden Studie allerdings nicht erhoben werden.

Text: Dr. Pavel Dietz
Foto: Klaus Arendt | privat

Der Sportwissenschaftler Dr. Pavel Dietz promovierte am Institut für Sportwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz in der Doktorandengruppe „Cognitive Enhancement“ der Initiative PRO Geistes- und Sozialwissenschaften. Dr. Dietz ist derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Sportmedizin, Prävention und Rehabilitation tätig.