Biestmilch: die Wirksamkeitsdebatte

Es wurde in den letzten Jahren bei den Anbietern von Biestmilch immer mehr zum Trend, den Gehalt an Immunglo- bulinen implizit als Kriterium für die Wirksamkeit der Biestmilch hervorzu- heben. Die Angaben schwanken im Bereich zwischen 20 bis 45 Prozent. Natürlich sind die Immunglobuline ein wichtiger Bestandteil der Biestmilch, aber sie sind bei weitem nicht die einzigen Moleküle, die die vielfältigen Effekte der Biestmilch erklären.

Es ist außerdem kritisch, nur die Menge eines biologischen Moleküls anzugeben, da die Quantität noch nichts über die Aktivität des Moleküls aussagt. Dazu kommt noch, dass eine Beurteilung und ein Vergleichen der Werte, ohne das Testsystem zu kennen, mit dem gemessen wurde, unmöglich ist. Es gibt Methoden, die die Quantität messen und andere, die die Bioaktivität nachweisen, beides sind zwei völlig verschiedene Dinge. Um die angegeben Menge beurteilen zu können, muss zudem bekannt sein, ob in der flüssigen oder festen Phase gemessen wurde. In der flüssigen Phase wird die Menge immer geringer ausfallen als in der festen Phase, wenn alle Feuchtigkeit bereits verdampft ist.

Ein anderer Aspekt, der beachtet werden sollte, ist die Tatsache, dass Biestmilch eine lebendige Substanz ist. Die Menge an Immunglobulinen hängt nicht nur vom Tag der Ernte ab, sondern auch vom Gesundheitszustand und vom Futter der Kuh. So kann der Immunglobulin-Gehalt von Charge zu Charge schwanken. Bei kleineren Chargen ist es bei weitem schwieriger, den Inhalt so zu justieren, dass eine Konsistenz von Charge zu Charge erzielt wird. Ob die Immunglobuline, wie sie augenblicklich gemessen und uns als Wirksamkeitskriterium nahegelegt werden, diesen Zweck wirklich erfüllen, benötigt weitere Studien und Diskussionen.

Wirkungen der Biestmilch
Nach diesem recht pragmatisch nüchternen Teil möchte ich auf den weitaus interessanteren, jedoch schwierigeren und umfangreicheren Aspekt der Wirkungen von Biestmilch übergehen. Ich kann dieses Thema hier nur sehr oberflächlich streifen. Vielleicht reicht dieser kleine Exkurs dennoch aus, um Ihre Neugierde zu wecken. Um Biestmilch mit seinen vielfältigen Effekten auf unser Wohlbefinden und auf die vielen chronischen Krankheiten zu verstehen, muss man sich mit dem Phänomen der Enzündung auseinandersetzen. Das wissenschaftlichen Bild von der Entzündung verändert sich gerade. Das ist wichtig zu wissen. Die entzündlichen Prozesse in unserem Körper werden heute als physiologisches Geschehen betrachtet. Erst wenn sie einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, entwickeln sich Krankheitszustände.

Die Entzündung ist der Schlüssel zu Wohlbefinden und der Schlüssel zur Krankheit
Entzündungen laufen demnach auch dann in unserem Körper ab, wenn wir uns ganz und gar wohl fühlen. Wenn diese generalsierten Entzündungsprozesse, die vor allem im Bereich aller Schleimhautoberflächen an den Grenzen zwischen dem Körperinneren und unserer Umwelt ständig da sind, gut kontrolliert von statten gehen und das Gleichgewicht unseres Organismus somit nicht gefährden, dann schwelen sie zwar ständig in unserem Körper, ohne jedoch Krankheitssymptome hervorzurufen. Sie sind, wie schon gesagt, integraler Bestandteil eines „gesunden“ Organismus und seiner Physiologie.

Die Entzündungsprozesse verknüpfen uns mit unserer Umwelt, und sie halten uns in einem dynamischen Gleichgewicht mit der Welt. Zu allererst werden diese Entzündungen durch das beeinflusst, was wir essen. Ebenso tun dies, aber zu einem geringeren Grad, Bewegung und Schlaf. Fettleibigkeit, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Atherosklerose etc. haben alle eine ausgeprägte deregulierte entzündliche Komponente, die unser Wohlbefinden und unsere Lebensdauer stark beeinflussen. Neben der genetischen Disposition spielen bei allen chronischen Erkrankungen, Krebserkrankungen eingeschlossen, chronische Entzündungsprozesse eine zentrale Rolle.

Die Entzündungen unter Kontrolle zu halten und zu verhindern, dass sie zu chronischen Prozesse ausarten, sollte deshalb ein vorrangiges Ziel darstellen, wenn wir das Risiko veringern möchten, an den eben genannten Erkrankungen zu erkranken. Biestmilch kann ihren Beitrag dazu beisteuern. Sie ist letztlich eine Substanz, die in der Lage ist, entzündlichen Prozesse zu modulieren, indem sie alle Systeme des Organismus stützt, die Entzündungen auslösen, regulieren und kontrollieren. Die Supersysteme der Regulation, mit denen Biestmilch interagiert, sind das Nerven- und Immunsystem sowie das Endokrinium. Auf Zellebene moduliert Biestmilch das entzündliche Mikromilieu der Zellen. In Abhängigkeit vom Aktivitätszustand des entzündlichen Zellmilieus, aktiviert oder supprimiert Biestmilch dieses Milieu und unterstützt damit die Etablierung eines neuen Gleichgewichtszustandes. Alle Wirkungen, die ich jetzt streifen werde, basieren auf dem Prinzip der Entzündungmodulation.

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Biestmilch: Lebenselixier oder einzigartige Substanz?
Ein Netz biologisch aktiver Moleküle
Die Wirksamkeitsdebatte
Nähren und Heilen mit Biestmilch
Hintergrundwissen Biestmilch: Herstellungsmethoden

Text | Foto/Animation: Dr. Susann Kräftner
Literaturverzeichnis