Svenja Bazlen
Ich habe den coolsten Job der Welt

„Bitte mit kurzem „a“ und scharfem „(t)z“. Schließlich heiße ich Bazlen und nicht Baaslen“, grinst die sichtlich gut gelaunte 27-Jährige und bestellt eine Portion Frankfurter Grüne Sauce, als ich mich mit ihr wenige Stunden vor der Abreise ins südafrikanische Trainingslager in der Hessenmetropole treffe und sie um die genaue Betonung und Aussprache ihres Nachnamens bitte.

Svenja Bazlens Weg in den B-Kader der Deutschen Triathlon Union (DTU) verlief anders, völlig anders. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Mitstreiterinnen durchlief die 27-Jährige nicht den üblichen Weg des Förder- und Kadersystems der DTU und ihrer Landesverbände.

In ihrer sportlichen Vita finden sich auch keine Teilnahmen und Erfolge an Jugend-, Junioren- oder U23-Meisterschaften. In einem Alter, wo sich die meisten Hochleistungssportler bereits ausschließlich auf ihre sportliche Karriere konzentrieren, schwitzte sie stattdessen in den Würzburger Hörsälen und büffelte für ihr Sportpädagogik-Studium, welches sie im Herbst 2009 mit der Magisterprüfung erfolgreich abschloss. Allerdings schon zu einem Zeitpunkt, als sie mit einem zweiten Platz beim Europacup im spanischen Pontevedra mehr als nur ein Ausrufezeichen hinter ihre Leistungen setzte und sich die ersten Starts in der ITU World Championship Series (WCS) sicherte.

Eigene Wege
Außenstehende, die Svenjas Werdegang mit den ihrer Kaderkolleginnen vergleichen, werden auf den ersten Blick nicht nur eine große Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit feststellen, man gewinnt sogar den Eindruck, dass sie diesen Weg in die Unabhängigkeit vom klassischen System wohl überlegt gewählt hat. Sogar die angebotene Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr in Mainz schlug die gebürtige Stuttgarterin aus und entschied sich somit auch gegen ein regelmäßiges Training am Olympiastützpunkt in Saarbrücken. Auch wenn die Bundeswehr eine gewisse Absicherung dargestellt hätte, bevorzugte sie es, auf eigenen Füßen zu stehen und trainiert seit Frühjahr 2009 – zu einem Zeitpunkt, als im Studium „nur“ noch die Magisterarbeit und die Abschlussprüfungen anstanden – am Olympiastützpunkt in Freiburg. Regionale Sponsoren und diverse Materialausstatter, die in die Leistungsfähigkeit der früheren Schwimmerin großes Vertrauen setzen, ermöglichten ihr diesen Schritt. „Nein, eine Außenstehende bin ich trotzdem nicht“, betont Svenja Bazlen und weist darauf hin, dass ihr Heimtrainer Lubus Bilek, der ehemalige Landestrainer des Baden-Württembergischen Triathlonverbandes, in sehr engem Kontakt zum Bundestrainer Roland Knoll steht. „Dadurch dass ich an allen Trainingslagern und Lehrgängen, zu denen ich vom Sportdirektor der DTU eingeladen wurde, auch teilgenommen habe, fühle ich mich – auch wenn ich nicht in Saarbrücken lebe und trainiere – dazugehörig und voll integriert.“ Lubos Bilek, der sehr darauf achtet, dass sie im Training nicht überzieht, bezeichnet Svenja als weitsichtig und verantwortungsvoll, der für ihr Feedback zu den absolvierten Einheiten immer ein offenes Ohr hat und dieses bei der zukünftigen Trainingsplanung berücksichtigt. Gemeinsam arbeiten sie an der Realisierung eines Vierjahresplanes, der 2009 mit dem Umzug nach Freiburg und der Professionalisierung ihres Trainings begann und im Jahr 2012 mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen in London seinen vorläufigen Höhepunkt finden soll. Aus diesem Grund zerbricht sie sich auch noch gar nicht ihren Kopf über die Zeit danach. „Schließlich kann und wird bis zum 04.08.2012 noch so viel passieren und egal was kommt, es geht immer weiter“, merkt Svenja Bazlen an. „Deshalb fokussiere ich mich voll und ganz auf die Qualifikation und auf nichts anderes.“

Spätberufene
Ähnlich wie die zweifache Ironman-Europameisterin Sandra Wallenhorst begann Svenja Bazlen erst mit Beginn ihres Studiums mit einem geregelten triathlonspezifischen Training. Ersten Erfolgen auf regionaler Ebene folgten Starts in der Landesliga und ein Angebot des Bundesligisten aus dem benachbarten Stuttgarter Stadtteil Feuerbach. Bazlen, die sich zu dem Zeitpunkt noch als Schwimmerin bezeichnete, bat um Bedenkzeit. Nach einer gefühlten Ewigkeit von mehreren Wochen rief sie dann doch zurück und wurde direkt damit „konfrontiert“, auch Antrittsgeld zu bekommen. So nahm langsam aber stetig alles seinen Lauf. Noch sehr gut erinnert sie sich an eines ihrer ersten Trainingslager mit lauter Langdistanzlern, unter ihnen auch der erfahrene Reutlinger Matthias Klumpp, Europameister von 1995. Auf ihrem schweren Rennrad aus Stahl spulte sie die auch heute in vielen Trainingslagern für Breitensportler noch üblichen Distanzen runter: 80/90/100 Kilometer, gefolgt von einem Ruhetag und weiteren 90/100/110 Kilometern, um in der zweiten Wochen dann noch ein paar Kilometer draufzulegen. All dies steckte sie neben dem Lauf- und Schwimmtraining mühelos weg. Ihr Training steuerte damals ihre Vereinskameradin Anke Schwartz. Ende 2007 stellte ihr Physiotherapeut den Kontakt zum VfL Waiblingen und zu Lubos Bilek her, der vom Talent und Potenzial der damals knapp 24-jährigen Athletin überzeugt war.

London und Peking 2011
Auch wenn Svenja Bazlen am 06.08.2011 beim ersten Qualifikationsrennen um die begehrten Olympiatickets den so wichtigen zwölften Rang nur denkbar knapp um eine Sekunde verpasste, verarbeitete sie diesen unglücklichen Ausgang sehr schnell. Gemeinsam mit dem Sportpsychologen des Olympiastützpunktes Freiburg arbeitet sie seit 2009 sehr eng daran, mental optimal vorbereitet in die Wettkämpfe zu gehen. Dabei liegt der Fokus in der Konzentration auf das Wesentlichste und dem Ausschalten von negativen Ereignissen. Auch der Umgang mit der Vorwettkampfnervosität nimmt dabei einen hohen Stellenwert ein. Bei ihren Gesprächen spielt die Verknüpfung von Bildern mit vergangenen und möglichen zukünftigen Situationen eine wichtige Rolle. Aber auch die Ursachenforschung und Verarbeitung von Rückschlägen beziehungsweise nicht zufriedenstellender Ergebnisse nimmt einige Zeit in Anspruch. „Nachdem ich in Peking durch einen dummen taktischen Fehler – ich bin in offenen Radschuhen wie von der Tarantel gestochen vorneweg aus der Wechselzone gefahren und musste mir dann vor dem ersten Anstieg völlig ausgepumpt die Schuhe anziehen, um mich von den anderen locker überholen zu lassen – den Anschluss verpasst und somit das Rennen vermasselt habe, weiß ich heute, dass die Olympiaquali gar nicht so weit weg ist, wie ich bis dahin immer angenommen hatte“, analysiert Bazlen sachlich den Ausgang der beiden Wettkämpfe. „Ich weiß jetzt, dass ich es schaffen kann. Der Traum ist in Sichtweite und darauf richte ich alles aus!“ Nach einer vierwöchigen Trainingspause und einem erholsamen Urlaub stieg sie Mitte Oktober – die Bilder ihres bislang schönsten sportlichen Erlebnisses stets vor Augen, den dritten Platz bei der Weltmeisterschaft im Teamsprint in Lausanne – topmotiviert ins Training ein.

Abseits des Sports
Obwohl Svenjas Freund, ihre Familie und Freundinnen im Großraum Stuttgart leben, bezeichnet sie Freiburg mittlerweile als ihre Heimat. In der Wohngemeinschaft – unter anderem mit Kathrin Müller und Christopher Hettich – fühlt sie sich sehr wohl. Sie genießt die Nähe zu den Athleten aus anderen Disziplinen wie Mountainbike und Wintersport, lernt viel über deren Herangehensweisen und Herausforderungen, aber auch deren Nöte. Würde sie ausschließlich von Triathleten umgeben sein, hätte Svenja Bazlen einfach die Sorge, zu sehr im „Triathlonsaft“ zu schmoren und den für sie wichtigen Blick für das Drumherum zu verlieren. Und genau aus diesem Grunde freut sie sich jedes Mal darauf, wenn sie sich abseits des Sports in Stuttgart mit ihren Freundinnen trifft. Dort stehen jedoch ganz andere Themen und Ereignisse im Vordergrund, beispielsweise Schwangerschaften oder bevorstehende Hochzeiten. „In solchen Situationen komme ich mir schon verdammt alt vor. Auch wenn ich an all diese Dinge noch keine Gedanken verschwende, freue ich mich für die anderen und finde es schön, miterleben zu dürfen, dass sich mein Umfeld verändert. Es kommt halt alles nur auf die Sichtweise und die Prioritäten an“, gibt Svenja offen zu. Leider fehlt ihr die Zeit für spontane Kurzurlaube, zu sehr ist ihr Tagesablauf in der Vorbereitungs- und Wettkampfphase auf den Sport ausgerichtet. Und freie Wochenenden gibt es im Leben eines Hochleistungssportlers nur in der trainingsfreien Zeit. Wenn sie entspannt ist, jedoch richtig abschalten möchte, greift sie zum Cello und spielt klassische Stücke, auch ein eindeutiges Indiz dafür, dass Svenja Bazlen ein sehr disziplinierter Mensch sein muss.

Pudding Pauli deckt auf
Auch die kleinen Dinge des Lebens, die auf dem ersten Blick nichts mit dem Sport zu tun haben, bereiten ihr große Freude. Wie beispielsweise, wenn sie mit leuchtenden Augen davon erzählt, dass sie in einer Freiburger Kinder- und Jugendbibliothek aus dem Kinderkrimi „Pudding Pauli deckt auf“ vorgelesen hat, um danach die zunächst zaghaften, später nicht enden wollenden Fragen wie „ fönst du immer deine Haare oder wie heißt denn dein Chef?“ zu beantworten. Gerne würde sie sich stärker sozial engagieren, aber ihre knapp bemessene Zeit und die Fokussierung auf ihre sportlichen Ziele ermöglichen keine regelmäßigen Aufgaben. Stattdessen sagt sie spontan kleineren Anfragen zu oder spendet ein Preisgeld für einen guten Zweck. Ähnlich verhält es sich auch mit ihren Sponsoren. Wenn angefragte Termine in ihren Trainings- und Wettkampfplan problemlos eingebunden werden können, nimmt sie gerne repräsentative Aufgaben für ihre Partner wahr. Glücklicherweise ist sie jedoch vertraglich nicht dazu verpflichtet, eine feste Anzahl von Tagen „auf Abruf“ zur Verfügung zu stehen. Zeit, die sie zur Regeneration und Entspannung nutzt, um ihrem großen Ziel von Olympia einen weiteren Schritt näher zu kommen.

„Natürlich fühlt es sich klasse an, in einem wichtigen Rennen unter den Besten das Ziel zu erreichen, aber ich bin nicht erfolgsgeil. Ich bin ein Bewegungsmensch und überglücklich, den für mich zurzeit coolsten Job der Welt auszuüben. Schließlich kann ich mich den ganzen Tag über in der Natur austoben, lerne auf der Erde viele neue Ecken kennen und unterhalte mich mit interessanten Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Das ist es, was mich jeden Tag antreibt, für mein großes Ziel zu trainieren“, strahlt Svenja Bazlen gegen Ende unseres Gesprächs. Ich spüre und merke es ihr an, dass das Leben ihr tatsächlich sehr viel Freude bereitet.

8 Fragen – 8 Antworten
Wo liegen Deine persönlichen Stärken? Ich glaube, ich kann mich ganz gut auf Menschen einlassen, denke positiv und bin unkompliziert.
Wo liegen Deine persönlichen Schwächen? Manchmal bin ich etwas ungeduldig.
Was macht Dich wütend? Ungerechtigkeit
Was bringt Deine Augen zum Leuchten? So einiges. Lachende Kinder zum Beispiel, Weihnachtsplätzchen und ein ganzer Ruhetag.
Was motiviert Dich? Der Gedanke an mein Ziel, Musik und meine Trainingsgruppe in Freiburg.
Worauf musstest Du am meisten (bei der Ausübung Deines Berufes) verzichten? Auf ein planloses In-den-Tag-Hineinleben.
Wie (und in welchem Umfeld) entspannst Du Dich am besten (von Deinem Beruf)? Bei Freunden oder meiner Familie mit einer guten Tasse Kaffee.
Wo siehst Du Dich in 10 Jahren? Als lässige Mama, die vielleicht noch Leistungssport macht.

12 Stichworte – 12 spontane Reaktionen
Leidenschaft: … ist großartig und bringt einen voran.
Begabung: … hat man oder hat man nicht.
Entscheidungen: … müssen immer wieder getroffen werden.
Respekt: … soll jeder jedem entgegenbringen.
Rivalität: … darf nicht übertrieben werden.
Fairness: … sehr wichtig, nicht nur im Sport.
Intelligenz: … ist nicht alles.
Image: … sollte positiv und echt sein.
Angst: … kann überwunden werden.
Soziale Verantwortung: … hat jeder.
Olympia: … ist ein Traum.
Früher war alles besser: … weiß ich nicht, da gab es mich ja noch nicht. 😉

Steckbrief: Svenja Bazlen
Geburtstag: 03.01.1984
Verein: VfL Waiblingen
Trainer: Lubos Bilek
Berufsausbildung: Magister Sportpädagogik (Universität Würzburg)
Homepage: www.svenja-bazlen.de

Erfolge
2. Platz Europacup Pontevedra (2009)
3. Platz Europacup Brno (2008)
3. Platz Team Triathlon World Championships (2011)
9. Platz World Championship Series Kitzbühel und Madrid (2011)
10. Platz World Championship Series Hamburg (2011)
11. Platz Gesamtwertung World Championship Series (2011)

Text: Klaus Arendt
Fotos: Klaus Arendt | Ralf Graner

Quelle: tritime (Ausgabe 1-2012)